And if my thought-dreams could be seen
Sandra Hauser, Meike Kuhnert und Lotta Bartoschewski
30.04 – 21.05. 2021
In drei annähernd identischen und zu drei Seiten verglasten ehemaligen Pförtnerlogen in dem Gebäudekomplex an der Prenzlauer Promenade 149-152 in Pankow hat der Initiator des Ausstellungsprojekt STRouX Christof Zwiener die Künstlerinnen Sandra Hauser, Meike Kuhnert und Lotta Bartoschewski zu der ersten Ausstellung unter dem Titel „and if my thought-dreams could be seen“ nach der Corona-Zwangspause eingeladen.
Wenn wir vor dem unübersehbaren Gebäudekomplex aus DDR Zeiten stehen und die viel befahrene Prenzlauer Promenade im Rücken spüren, fällt unser Blick schnell auf die klare architektonische Gliederung des in die Jahre gekommenen sechs-geschossigen Gebäudes. Das Haus welches in den nächsten Jahren zu einem der größten Berliner Atelier- und Kulturraumzentren der Stadt bei laufendem Betrieb umgebaut werden soll, befindet sich augenscheinlich aktuell in einem undefinierten Zustand der Leerstand, Freiraum und Baustelle zugleich sein könnte. Genau solch eine Situation zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind für Christof Zwieners temporäre Projekte spannend und ausschlaggebend. Für sein Projekt STRouX dienen drei ehemalige Pförtnerlogen des Gebäudes als Ausstellungsräume. Diese gläsernen Logen waren zur Überwachung von Mitarbeiter*innen und Besucher*innen der Akademie der Wissenschaft der DDR gebaut worden und standen seit deren Ende 1991 leer.
Diese sind ideal für das Projekt STRouX zur Präsentation von ortsspezifischen Arbeiten und künstlerischen Diskurs zu Transformationsprozessen und ermöglichen einen Aus- und Einblick rund um die Uhr. Die knapp sieben Quadratmeter nutzen Sandra Hauser, Meike Kuhnert und Lotta Bartoschewski jede für sich für ihre Installationen voll aus, denn ihre Arbeiten sind unmittelbar mit der speziellen Architektur und der Situation verbunden.
Inspiriert von der Vergangenheit des Gebäudes, vor allem aber von dessen zwischenzeitlichen Leerstand, der Poesie der zeitweiligen Ungewissheit seiner Zukunft und der von der Pandemie geprägten Situation - entstand bei Sandra Hauser das Bedürfnis die Pförtnerloge STRouX B mit Wärme und Leben zu füllen und somit temporär einen Raum für das aktuell immer noch stillstehende Nachtleben Berlins zu erschaffen.
Ganz bewusst reagiert Hauser auf die aktuelle Lage und betrachtet die Pförtnerloge als eine Art „Safespace“ in dem auch während der Pandemie einzeln getanzt werden kann, durch den Glaskubus geschützt, getrennt und doch nah. Die von Sandra Hauser konzipierte Performance „Safespace-Electrify My Golden Tooth“ bezieht sich im ersten Teil als Installation auf die gesamte Ausstellungszeit, d.h. der „Leerstand“ der Loge, bei dem Scheinwerfer, der Spiegel, der Barhocker und die sich drehende Discokugel ready für den Dance sind und darauf warten, dass Alma dort im roten Scheinwerferlicht tanzt, sich verwandelt, verweilt und wieder geht. Anstelle einer Pole-Dance-Stange tritt der Raum beim Strip von Alma in den Fokus, sprich Fensterrahmen, Glas, Heizung und Boden werden zum Berührungsobjekt.
Der Betrachter wird durch das Glas mit einer sich immer weiter zu entfernen scheinenden Intimität konfrontiert. Für die Zeit der Performance öffnet sich ein kleiner Zwischenraum, der dem Zustand des historisch aufgeladenen Gebäudes entspricht.
STRouX B Sandra Hauser
"Safespace-Electrify My Golden Tooth“
Performance-Installation, Spiegel, Discokugel, Lichtstrahler, Rotlicht, Barhocker, 2021
(Live Performance featuring Stripperin und Performerin Alma
Freitag 21.05. 20.00 - 22.00 Uhr)
In ihrer künstlerischen Arbeit setzt sich Meike Kuhnert mit Möglichkeiten und Grenzen der Malerei auseinander, indem sie Begriffe und Objekte in Bildsprache übersetzt. Sie nutzt Motive, Stile, Darstellungsweisen und Materialien wie ein Vokabular, das sie immer wieder einsetzt, erweitert und neu kombiniert. Ihre Arbeiten sind gleichzeitig Denkraum und physische Erfahrung. Anhand von bestimmten Begriffen erarbeitet sie komplexe visuelle Konzepte und entwickelt assoziative Sinnzusammenhänge, die auf aktuellen sozialen, philosophischen und gesellschaftlichen Themen basieren. In ihrer zumeist abstrahierten Bildsprache, die sich aus Farbfeldern, Streifen und Kreisen zusammensetzt, tauchen neben Symbolen oft reale und gemalte Gegenstände auf. Sie entfremden das scheinbar logische System, das durch die Analytische Malerei geschaffen wird, auf absurde und unwirkliche Weise. In der Arbeit ‘Zyklon 2.0’ für die Pförnerloge STRouX C greift Kuhnert die architektonischen Raumelemente des speziellen Ausstellungsortes auf, zeichnet sie mit einer Holzkonstruktion nach und verwandelt den Raum in ein dreidimensionales Gemälde.
Die Muster der mit Stoff bezogenen Wände sind Muster-Vorlagen des Bauhaus abgeleitet. Die gemalte Verdichtung von Farben scheint im Inneren der nicht begehbaren raumgreifenden Arbeit zu schweben und soll an eine Wandkarte erinnern. Die textile Installation bezieht sich auf die Geschichte des Gebäudes und ist mit ihren verschiedenen Teilen gleichzeitig Ausdruck für das Verschmelzen von Zeitzuständen. Auch die Globalisierung erzeugt eine Verdichtung von Sachzusammenhängen. Sie schreitet dynamisch und unaufhaltsam voran. So wie ein Naturphänomen verfolgt sie dabei keinen Zweck. An welcher Stelle sich in dieser Konstellation der Mensch befindet ist noch nicht entschieden. Die Bezeichnung ‘2.0’ wird oft im Elektrogerätebereich verwendet, um ein Nachfolgemodell zu beschreiben. So stellt der Titel der Installation auch die dringliche Frage nach unserer jetzigen Entwicklung.
STRouX C Meike Kuhnert
“Zyklon 2.0” Malerei, Installation, Stoff, Leinwand , Holz, 2021
Lotta Bartoschewski´s Arbeit ist immer raumbezogen, installativ und spezifisch für einen Ort oder eine Situation entwickelt. Für STRouX D entstand eine auf den ersten Blick rätselhaft anmutende Arbeit, die Skulptur, Malerei und Installation vereint. Auf den Oberflächenseiten der zwei flachen und fragil wirkenden Gipsskulpturen, die in die Ecken der gläsernen Pförtnerloge gelehnt wurden, sind Abdrücke der Gussformen, deren Innenseiten bemalt wurden, zu sehen. Der Gips bindet alle Pigmente und bildet eine jeweilige Oberflächenstruktur exakt ab. Ebenso werden Gegenstände, die in den Gussformen ( 5-, 2- und 1-Cent-Stücke) angebracht werden als Negativ ab - bzw. eingegossen. Der Fußboden wurde von Bartoschewski vollflächig, monochrom mit Tusche in Blau-, Lila- und Grautönen glänzend bemalt. An einer Wand in der Pförtnerloge sind bedruckte A4-Blätter angebracht, die Zeitungsausschnitte ins Spiegelverkehrte und in Rot auf Weiß umgewandelt abbilden. Betrachten wir diese Installation genauer, wird uns bewusst, dass Lotta Bartoschewski nicht nur die Sichtweisen verändert sondern auch die Position der Betrachtung in Frage stellt. Ähnlich wie bei „Alice hinter den Spiegeln“ ist bei Bartoschewski hinter einer Oberfläche - sei es die der Abdrücke ihrer Gussformen, der gedruckten Zeitungsartikel oder der des bemalten Fussbodens, ein Raum oder Universum. Allerdings schauen wir aus diesen nicht auf eine Phantasiewelt, sondern auf unsere reale Welt, die hier in einer gläsernen, spiegelnden Pförtnerloge verortet ist.
STRouX D Lotta Bartoschewski
“Walk on Water” Skulptur, Installation
Gips, Armierungsstahl, Jute, Tusche, Papier, 2021